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  • AutorenbildLutz Jäkel

#allesdichtmachen = Querdenker? Jein.

Es stimmt schon, eigentlich ist alles gesagt, zumal in dieser schnelllebigen Medien- und Nachrichtenzeit, in der selbst so ein bundesweiter Aufreger wie die Aktion #allesdichtmachen wenige Tage nach Veröffentlichung der Videos schon fast wieder kalter Kaffee ist. Dabei gibt es durchaus noch ein paar Dinge zu sagen. Und auch richtig zu stellen. Vor allem dann, wenn man abseits der Schauspieler:innen den Blick auf das eigentliche lenkt: Was war der Zweck der Aktion, bei der mehr als 50 Schauspieler:innen auf vermeintlich satirische Art die Anti-Corona-Maßnahmen kritisiert haben? Warum geriet die Aktion so unter verbalen Beschuss?


Und wer ist überhaupt Dietrich Brüggemann, neben den Schauspielern Volker Bruch und Jan Josef Liefers einer der Initiatoren? Denn eines steht fest: Regisseur Brüggemann ist schon etwas schräg und muss sich tatsächlich den Vorwurf gefallen lassen, mindestens Querdenker-Sympathisant zu sein, der sich offenbar nicht scheut, einen AfD-nahen Rechtsanwalt im juristischen Streit mit YouTube zu beauftragen. Eine Brisanz, die bislang wenig Resonanz in den Medien gefunden hat. (Bild: Martin Kraft (photo.martinkraft.com) Lizenz: CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)



Aber lasst uns zunächst auf zwei Missverständnisse eingehen.


1. Vielfach ist zu lesen, und das wird auch von einigen beteiligten Schauspieler:innen in Interviews behauptet, die Satire mag zwar mitunter schwer oder gar nicht zu verstehen gewesen sein, aber es gehe doch auch darum, auf die Not der Kultur- und Kunstschaffenden aufmerksam zu machen. Ein hehres Ziel, denn die Situation ist für Viele der Branche - wie in vielen anderen Branchen auch - coronabedingt verheerend. Ich bin selbst davon betroffen. Nur gibt es an diesem Narrativ gleich zwei Haken. Der eine: Warum äußern sich ausgerechnet jene Schauspieler:innen, die aufgrund ihrer Dauerpräsenz in Filmen und Serien sehr wahrscheinlich zumindest materiell kaum bis gar nicht betroffen sein dürften? Der andere, viel wichtigere Haken, ist: In welchem der 53 Videos wird dieser Notstand der Kulturszene thematisiert? Mir ist keines bekannt. Es geht in den Videos um die Regierung, um DIE Medien, die aus ihrer Sicht falsche Kommunikation, die harten Maßnahmen, um die Not der Kinder, um Gewalt gegen Kinder, um Pizza- und Amazonboten etc. pp. Sollte jemand ein Video kennen, in dem die Not der Kulturschaffenden thematisiert wird: Bitte gerne eine Nachricht. Selbst auf der Website allesdichtmachen.de findet sich dazu: nichts. Worum es ihnen geht, beschreiben sie so:

"Nicht alle in dieser Gruppe sind Gegner eines wie auch immer gearteten Lockdowns. Einige schon. Aber darum geht es nicht. Wir behaupten auch nicht, es besser zu wissen und auch nicht, dass alle Maßnahmen falsch sind. Es geht nicht um Viren, Zahlen oder Kurven. Es geht um die Art, wie Staat und Bürger interagieren, und um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Es geht darum, daß Kritik am Lockdown ein legitimer Standpunkt ist, der sich mit Argumenten und Fakten untermauern läßt. Es geht um den Blick auf die Schäden, die die Corona-Maßnahmen auf vielerlei Art anrichten. Es geht darum, daß Kinder und Jugendliche um einen wichtigen Teil ihres Lebens betrogen werden. Es geht darum, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Es geht um eine Rhetorik von „Wir” und „Gemeinsamkeit”, die schon deswegen falsch ist, weil offensichtlich nicht “wir alle” da “gemeinsam” drinstecken, sondern in sehr unterschiedlichem Maße: Die Schere von Arm und Reich geht immer weiter auf. Es geht am Ende auch um den bekannten Slogan: Leave no one behind."

Mal abgesehen davon, dass ich es für schwer erträglich halte, den Slogan "Leave no one behind", der für die Nothilfe für Geflüchtete genutzt wird, in diesem Zusammenhang zu lesen: Von der prekären Situation vieler Kunst- und Kulturschaffender findet sich keine Silbe. Bemerkenswerterweise gab es nur wenige Tage nach dieser Aktion, am 27.04.2021, einen Digitalen Bürgerdialog mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Online zugeschaltet waren Vertreter:innen aus der Kunst- und Kulturlandschaft. 90 Minuten lang trugen diese Vereter:innen ihre Situationen in der Pandemie vor, sensibilisierten die Bundeskanzlerin für die prekäre Lage vieler Kulturschaffenden, Merkel ging auf vieles ein. Sie sprachen also über jenes Thema, das angeblich auch die Aktion #allesdichtmachen u.a. auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Nur: Das zeitliche Zusammenkommen der Aktion und des Digitalen Bürgerdialogs ist reiner Zufall, das Thema war seit Anfang Februar geplant, wie mir telefonisch ein Sprecher der Presseabteilung der Bundesregierung bestätigte.


2. Von einigen der kritisierten Schauspieler:innen wird der Vorwurf erhoben, man stelle sie zu Unrecht in die rechte Ecke. Auch auf der Website allesdichtmachen.de, auf der übrigens die Videos alle verschwunden sind und stattdessen ein Link auf die nur noch 34 von ursprünglich 53 Videos auf einen YouTube-Kanal verweist (Stand: 28.04.2021), heißt es:

"Wir lassen uns auch nicht in eine Ecke stellen mit Rechten, Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern. Auch die AfD steht für alles, was wir ablehnen."

Auch ein weiterer Initiator der Aktion, Filmproduzent Bernd K. Wunder, der im Mai letztes Jahres noch von einer Grippe sprach und Befürworter der Corona-Maßnahmen als "Mundschutzknappen", "selbst ernannte Retter der Menschheit" und "Coronanazi" bezeichnete, sagt laut eines Berichts der Berliner Morgenpost:

„Wir sehen uns in eine Ecke gestellt mit rechten Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern und Corona- und Pandemieleugnern. Nichts liegt uns Ferner. Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der wir ferner stehen als der AfD."

Nach meiner Wahrnehmung tut das "in die rechte Ecke stellen" allerdings auch niemand ernsthaft, zumindest niemand, der sich vernünftig und ohne viel Schaum vor dem Mund mit der Causa und der Kritik daran beschäftigt. Der Vorwurf, der allerdings auch mit viel Verve von einigen vorgetragen wird, ist ein anderer: In den Videos werden rechte, verschwörungsideologische und Querdenker-Narrative genutzt und somit fahrlässig in die Mitte der Gesellschaft transportiert! Deswegen ist auch der erwartbare Applaus aus jenen Kreisen besonders laut, das sei fatal. Und das ist auch ein echtes Problem. Aber damit unterstellt man noch lange nicht, dass die Beteiligten der Aktion auch selbst Querdenker oder gar rechts seien. Dieses "ich lasse mich nicht in die rechte Ecke" stellen ist ohnehin so ein beliebtes vorgeschobenes Narrativ, mit dem man den eigenen Mist und das eigene Fehlverhalten nicht weiter reflektieren möchte. Zumal Corona leugnen oder verharmlosen, an verschwörungsidelogische Narrative zu glauben nichts ist, das alleine im rechten Lager zu verorten ist. Das ist das eigentliche Beunruhigende und damit auch Gefährliche in der Szene: Dass sich eine Querfront über verschiedene politische Lager bildet. Auch aus diesem Grund wird seit dem 28.04.2021 die Querdenker-Szene vom Verfassungsschutz beobachtet, und für diese Querfront wurde eine eigene Kategorie geschaffen (Zitat: Süddeutsche Zeitung):

"Da die Bewegung keinem der bisher bekannten Phänomenbereiche wie etwa Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Islamismus zuzuordnen sei, sei eine neue Kategorie "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" geschaffen worden, teilte das Innenministerium mit."

Querdenker Dietrich Brüggemann? Einer aus der Riege der Beteiligten jedoch muss sich den Vorwurf, mit Querdenkern mindestens zu sympathisieren, gefallen lassen: Der Regisseur Dietrich Brüggemann. Ein Blick auf seinen Twitter-Account genügt. So teilt er Beiträge von der Seite "Team Reality", die auf Twitter fast ausschließlich Querdenker-Narrative bedient. Nur zwei Beispiele:


"Karl Lauterbach - neben Christian Drosten der wohl umstrittenste, weil am öftesten [sic!] falsche gelegene "Corona-Experte". Hier ein kleiner Thread über seine Meisterleistungen auf dem Feld der Propaganda und Panikmache."

Anmerkung: Das Gegenteil ist der Fall, Lauterbach und Drosten gehören zu den Experten, die mit ihren Prognosen am häufigsten richtig lagen. Das hat weder mit Propaganda noch mit Panikmache etwas zu tun. Es ist nüchterne wissenschaftliche Arbeit und die Information darüber.


"Die #Bundesnotbremse ist der Weg in den Faschismus. Lockdown bis Juni. Unsere unveräußerlichen Grundrechte sind seit 1 Jahr ausgesetzt. Der von den Alliierten nach der Naziherrschaft festgeschriebene Föderalismus ist außer Kraft. Die Presse betreibt die Spaltung des Landes."

Anmerkung: Nicht DIE Grundrechte sind ausgesetzt, sondern einige Grundrechte wie beispielsweise Versammlungsfreiheit und Religionsfreiheit (NICHT die Meinungsfreiheit!) sind derzeit eingeschränkt. Die Einschränkungen sind allerdings an Inzidenzen gebunden; auch der Föderalismus ist nicht außer Kraft gesetzt, sondern im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes gelten bundeseinheitliche Einschränkung ab einer bestimmten Inzidenz; vom Faschismus sind wir weit, sehr sehr weit entfernt; und die Spaltung... ach, egal.


Dietrich Brüggemann teilt auch einen Tweet der Gruppe "Freie Linke", weil er sich über die Unterstützung aus dem linken Lager freut.

Gerade an "Freie Linke" zeigt sich exemplarisch, was seit Beginn der Anti-Corona-Maßnahmen Demonstrationen im gesamten Bundesgebiet zu beobachten ist: Eben jene Querfront von ganz rechts bis ganz links. Links ist die "Freie Linke" nach eigenem Selbstverständlich in der Tat - aber dennoch sind sie Corona-Verharmloser und schwadronieren auch gerne von einer drohenden Diktatur. Auf der Website ist zu lesen:

"Die demokratische Widerstandsbewegung gegen die Corona-Maßnahmen hat die Krise des politischen Systems in allen seinen Ausprägungen deutlich gemacht. Unter dem Corona-Dogma werden die demokratischen Prinzipien dieser Gesellschaft ersetzt durch neoliberale und diktatorische Elemente der Machtsteigerung einer globalen, kapitalistischen Oligarchie. Die Reichen werden reicher und mächtiger, die Armen ärmer und politisch einflussloser. Die faktischen Machtzentren agieren unverhohlen autoritär und eine kaum noch zu kaschierende Diktatur zeichnet sich ab."

Auf dem Telegram-Kanal von "Freie Linke" werden im Chat fleißig Querdenker-Beiträge geteilt, von "Covidideologie" geschrieben und die Faktenchecker Seite "Der Volksverpetzer" als Verschwörungsseite bezeichnet. Auf der Querdenker-Demo in Berlin am 21.04.2021 war die "Freie Linke" auch dabei, wie dieses Foto von mir zeigt:

Also auch bei den "Freien Linken" hätte Dietrich Brüggemann mal genauer hinsehen sollen, von wem er sich da Schützenhilfe verspricht. Aber es drängt sich ohnehin der Verdacht auf, dass Brüggemann über jede Zustimmung zur Aktion dankbar ist und es mit Fakten nicht so genau nimmt (wie in Querdenkerkreisen üblich). So ist es vielleicht erklärbar, warum er abenteuerlich mit Zahlen jongliert. Zum einen kursiert unter den Befürwortern der Aktion #allesdichtmachen eine Grafik, die suggeriert, dass über 90 Prozent der Viewer die Videos mit einem Daumenhoch bewerteten und nur rund 6 Prozent mit einem Daumenrunter.

Überwältigende Zahlen, die auf Twitter auch ein Matze G. in einer schönen Grafik zusammengefasst hat mit dem Kommentar:

"Die Bürger danken recht herzlich, überwältigende Zustimmung..."

Brüggemann hat diesen Tweet retweetet.

Auch hier, wie praktisch, bekommt Brüggemann Schützenhilfe von der Querdenker-Seite "Team Reality":

Nun weiß man natürlich nicht, ob es Ignoranz ist oder Absicht: "Views", "Reaktionen" und Klicks sind noch lange nicht einzelne User und erst recht sind es nicht "die Bürger". Außerdem gibt es auch hier weitere Haken: Obwohl sich die Aktion nach eigenen Angaben u.a. dafür stark macht, eine Debatte anzustoßen (u.a. heißt es auf der Website: "Uns geht es darum, endlich offen, respektvoll und auf Augenhöhe miteinander zu reden."), sind bei allen Videos auf dem YouTube Kanal von #allesdichtmachen die Kommentarfunktionen deaktiviert.

Oh, doof. Denn so wissen wir leider nicht, wer da so kommentiert hätte. Wir sehen nur die sehr vielen Likes und die sehr wenigen Dislikes. Was wir aber wissen: Sehr viel Zuspruch zu dieser Aktion kommt aus dem rechten bis rechtsextremen, dem verschwörungsideologischen und Querdenker-Milieu, ein Blick auf die Social Media Kanäle (v.a. Telegram) dieser Szene genügt. Werden die also ein Dislike hinterlassen? Eher nicht. Daher ist die Behauptung "Die Bürger danken recht herzlich" mehr als gewagt. Es sind nicht DIE Bürger, sondern vermutlich ganz bestimmte Bürger. Das hat die Kritik und Zustimmung zur Aktion in den letzten Tagen deutlich gezeigt. Brüggemann dankt also vermutlich einem ganz speziellen politischen Lager. Das scheint er zu ignorieren, solange es Zuspruch gibt. Oder er weiß es nicht. Keine Ahnung, was schlimmer ist. Brüggemann wähnt sich ohnehin einem "Lynchmob" ausgesetzt, wie er auf Twitter u.a. schreibt:

"Es macht Spaß, so herumzupöbeln, stimmt's? Wollen wir trotzdem mal damit aufhören? Ja? Gut. Oder nein, wir können auch noch ein bißchen weitermachen. Euch ist ja immer "übel" und ihr "kotzt" auch gern. Wißt ihr was? Mir ist auch übel. Und zwar wegen euch. Ihr seid ein Teil des Schlimmsten, was die Menschheit hervorgebracht hat: Ihr seid ein Lynchmob. Ganz einfach. So, genug gepöbelt. Ich könnte jetzt die üblichen Distanzierungsfloskeln von mir geben, aber vorher schlafe ich vor Langeweile ein. Nazis sind Nazis und Selbstverständlichkeiten sind selbstverständlich. Und was auch selbstverständlich sein sollte: Wenn Kritik an Corona-Politik "rechts" ist, dann ist meine linke Hand auch rechts."

Da liest man förmlich den Schaum vor dem Mund. Wenn man sich nun aber ganz viel Mühe gibt und bei den ursprünglich 53 Videos der Schauspieler:innen bei den Verschwörungs- und Querdenker-Narrativen tatsächlich Ironie, Sarkasmus und Satire heraushören möchte, so wird es bei Brüggemann mit der Einordnung als Satire deutlich schwieriger. Er formuliert verklausuliert, doch was er meint, ist deutlich, wenn er schreibt:

"Und jetzt möge mir mal einer erklären, warum das eine zwingend das andere erfordert. Und warum unsere ganze Gesellschaft in einer Art Kriegszustand sein muss, in der die gesamte Zivilgesellschaft strammzustehen hat und nichts anderes mehr wichtig ist als der Kampf gegen den einen, maximalen Feind. Und wer fragt, ob dieser Feind wirklich so maximal ist und ob man den vielleicht auch mit anderen, zivilen Mitteln bekämpfen könnte, der ist ein Leugner und Volksfeind und muß an die Laterne gehängt werden. Ihr merkt gar nicht, was für Reflexen ihr hier nachgebt, aber das ist Teil des Problems. An einer Medienelite, die den immer härteren Lockdown fordert und jeden Kritiker mit Verweis auf volle Intensivstationen zum Abschuss freigibt, gibt es jede Menge zu kritisieren."

Wir befinden uns also in einer "Art Kriegszustand", in dem die Gesellschaft wegen der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung "strammzustehen hat" im Kampf gegen den "einen maximalen Feind", also dem Corona-Virus, von dem man fragen muss, ob es "wirklich so maximal ist", und es sind die Medien, die einen "immer härteren Lockdown" fordern - und nicht die Wissenschaftler:innen. Das ist klassische Querdenker-Rhetorik. Schützenhilfe aus dem Neurechten Lager? Die Causa Brüggemann bzw. Initiatoren - zu denen, man muss es wiederholen, laut Brüggemann die Schauspieler Volker Bruch und Jan Josef Liefer gehören - bekommt bei genauerem Hinsehen noch einen weiteren sehr heiklen Dreh. Denn eines ist richtig: Wenn man bei YouTube den Suchbegriff "allesdichtmachen" eingibt, kommt man zu diversen Videos der Aktion - nur nicht zum eigentlichen YT-Kanal und auch nicht zu den einzelnen Videos. YouTube hat offensichtlich den Suchbegriff unterdrückt, er wird digital ausgeblendet, wie man auf diesem Screenshot gut erkennen kann:

Darüber können sich die Initiatoren zurecht ärgern und beschweren. Und das tun sie auch, sogar juristisch. Die Seite "Meinungsfreiheit im Netz" (auf der dies zu lesen ist: "Mit Ironie, Witz und Sarkasmus stellen die Schauspieler die Corona-Politik der Bundesregierung in Frage und kritisieren vor allem das hiesige Diskussionsklima.") berichtet dazu:


"Die Initiatoren haben uns gebeten, gegen die digitale Ausblendung anwaltlich vorzugehen. “Meinungsfreiheit im Netz” übernimmt für #allesdichtmachen Kosten und Risiken der Rechtsverfolgung. YouTube wurde bereits wenige Stunden, nachdem von der digitalen Ausblendung Kenntnis erlangt wurde, mit einer bereits am Montag, 26.04.2021, endenden Frist zur Rückgängigmachung dieses Angriffs auf die Grundrechte und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert und abgemahnt. Geschieht dies nicht, muss der Konzern sehr kurzfristig mit der Einleitung gerichtlicher Schritte rechnen."


Dieses juristische Vorgehen ist legitim, dass "Meinungsfreiheit im Netz" dafür die Kosten übernimmt, überrascht zwar, aber auch das ist nicht verwerflich. Allerdings: Wer sich die URL zur Quelle des Zitats genauer anschaut, sollte aufhorchen: Es ist die Seite des Rechtsanwalts Nikolaus Steinhöfel. Und hier kann man sich erneut fragen: Sind Schauspieler und Regisseure grundsätzlich nicht in der Lage, sich zu informieren, mit wem sie ein Projekt aufziehen oder wen sie beauftragen, sich juristisch vertreten zu lassen? Ist es Ignoranz - oder wissen sie doch, was sie tun?


Nikolaus Steinhöfel nämlich ist in der Medienwelt kein Unbekannter. Oder besser gesagt: In einer bestimmten Medienwelt und vor allem in rechtsnationalen und rechtskonservativen Kreisen ist er kein Unbekannter. Ein paar Einblicke:

  • 2017 vertrat Steinhöfel den Fotografen und Blogger Markus Hibbeler in einem Rechtsstreit mit Facebook, das einen islamkritischen Beitrag Hibbelers gelöscht und den Autor sieben Tage lang gesperrt hatte. Hibbeler bezeichnet sich selbst als Islamkritiker (auch wenn nicht klar ist, woher seine vermeintliche Expertise kommen soll). Bevor er mit Beginn der Corona-Pandemie sich fast ausschließlich auf die Tierfotografie konzentrierte, postete er einige Jahre lang fast täglich als islamkritisch verbrämte eher islamfeindliche und populistische Beiträge. Markus und ich sind oft auf Facebook aneinandergeraten. Aber seit er fast nur noch Vögel fotografiert (warum, weiß der Geier), ist Ruhe eingekehrt.

  • Im Juni 2020 vertrat Steinhöfel den Bundesvorstand der Alternative für Deutschland (AfD) vor dem Berliner Landgericht gegen Andreas Kalbitz, der gegen die Annullierung seiner Parteimitgliedschaft geklagt hatte.

  • Steinhöfel verteidigte außerdem den neurechten (ich würde fast sagen: rechtsextremen) Blogger Niklas Lotz ("neverforgetniki"), den neurechten Unternehmer Peter Weber, der das Portal "Hallo Meinung" betreibt, auf dem regelmäßig, vor allem auf Facebook, Merkelhasser, Corona-Verharmloser und AfD-Politiker interviewt werden (in einem Video sagt Weber: "Lieber Nikolaus", und Steinhöfel antwortet: "Lieber Peter", man kennt und schätzt sich offenbar).

  • Ende Mai 2020 vertrat Steinhöfel das rechtspopulistische Magazin „Tichys Einblick“ vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Prozess gegen die Recherchegruppe „Correctiv“.

  • Steinhöfel war außerdem Anwalt des rechtsnationalen Krawall-Schriftsteller Akif Pirinçci und des ehemaligen SPIEGEL-Journalisten Matthias Matussek, der schon seit geraumer Zeit neurechts durchdreht auch damit aufgefallen war, die Aktionen der rechtsradikalen und vom Verfassungsschutz beobachtete "Identitäre Bewegung" in einem Facebook-Beitrag "einfach nur geil" zu finden. Auf einer Geburtstagsfeier von Matussek hatte 2019 ebenfalls eine illustre Runde teilgenommen, u.a. ein vorbestraftes Mitglied der Identitären Bewegung, Erika Steinbach, die Leiterin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und Dieter Stein, Verleger der Wochenzeitung Junge Freiheit. Zur Jungen Freiheit siehe unten. Aber vermutlich war auch das nur Satire.


Nikolaus Steinhöfel macht in Beiträgen und Videos keinen Hehl aus seiner abgrundtiefen Abneigung Merkels - er spricht von "der Raute des Grauens" -, ätzt regelmäßig gegen Die LINKE und die Grünen. Gendern hält er auch für gaga. Kann er natürlich alles machen, eine Meinung eben. Welcher verächtlichen, populistischen, diffamierenden und teilweise plumpen Rhetorik sich Steinhöfel jedoch dabei bedient, ist besonders eindrücklich zu sehen und zu hören in einem Video zu einer Rede, die er 2017 auf dem Sommerfest der Wochenzeitschrift Junge Freiheit hielt. Die in Berlin erscheinende Junge Freiheit gilt unter Politikwissenschaftlern als das publizistische "Flaggschiff" und "Vorzeigeprojekt" der so genannten Neuen Rechten, als "ein Sprachrohr der radikalnationalistischen Opposition".

Dort also hielt Steinhöfel eine Rede, Gast war unter anderem auch AfD Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland (zu sehen im Video bei Min. 10:20). Gleich zu Beginn der Rede sagt Steinhöfel:

"Diesen Kniff, der immer dann zur Anwendung kommt, wenn es genau umgekehrt ist, wenn es so falsch wird, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist: Terrorismus hat nichts mit dem Islam zu tun, die Linke hat nichts mit Linksextremismus zu tun, das heute-journal hat nichts mit Fake-News zu tun, die tagesthemen haben nichts mit Regierungspropaganda zu tun. Und der Zustand Deutschlands im Sommer 2017 hat nichts mit Frau Merkel zu tun. Denn Frau Merkel ist eine ehrenwerte Frau."

Achtung: Alles Satire. Haha. Steinhöfel macht so weiter: Ex-Linken-Chefin Katja Kipping nennt er "Honeckers Mädchen" (Min. 02:40), von den Grünen Anton Hofreiter und Kathrin Göring-Eckardt sagt er, sie "aus dem Bundestag zu entsorgen, wäre die erste begrüßenswerte politische Leistung der Kanzlerin." (Min. 15:10). Als er gegen Ende im Rahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetz vom "Merkel-Regime" spricht, gibt es kräftigen Applaus. Und wenn es ins Narrativ gegen Geflüchtete passt, macht Steinhöfel aus einer sexuellen Belästigung auch mal eine Vergewaltigung mit Einlieferung in die Notaufnahme. Die Polizei hatte Steinhöfel die offensichtlich rassistisch motivierte Falschbehauptung nachgewiesen. Die Behauptung war aber in der Welt. Darauf kommt es wohl an.

(Quelle: (159) "Denn Frau Merkel ist eine ehrenwerte Frau" - Festrede von Joachim Steinhöfel - YouTube) Von jenem Nikolaus Steinhöfel also lassen sich die Initiatoren #allesdichtmachen gegen YouTube vertreten? Vor allem dann, wenn man selbst auf der Website allesdichtmachen.de schreibt: "Auch die AfD steht für alles, was wir ablehnen" und Filmproduzent Wunder sagt: "Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der wir ferner stehen als der AfD"? Wie passt das zusammen? Um es noch mal klarzustellen: Die an der Aktion beteiligten Schauspielerinnen und Schauspieler haben vermutlich in guter Absicht und aus ihrer Sicht berechtigtem Anlass gehandelt, haben aber fahrlässig sich ganz offensichtlich nicht erkundigt, was genau der Anlass der Aktion war und vor allem: Wer die Aktion ins Leben gerufen hat. Daraus kann und muss man ihnen den Vorwurf der Ignoranz und Fahrlässigkeit machen, was in diesem Fall schon schlimm genug ist. Aber vor allem sind sie ganz offensichtlich einem auf den Leim gegangen: Dietrich Brüggemann. Denn aus den Tweets und den Kontakten sind ideologische Verbindungen ins Querdenker-Lager vorhanden. An Ignoranz und Fahrlässigkeit kann ich hier nicht glauben. Ich unterstelle: Brüggemann wusste, was er da macht. Ob die Schauspieler Volker Bruch und Jan Josef Liefers wissen, wer Steinhöfel ist? Hoffentlich nicht. Hoffentlich haben sie auch hier nur Brüggemann vertraut und sind ihm damit erneut auf den Leim gegangen. Sicher bin ich mir aber nicht. Text © Lutz Jäkel

 

UPDATES:

[06.05.2021] Was möchte die Partei "Die Basis", für die der Schauspieler Volker Bruch einen Mitgliedsantrag gestellt hat? Der Tagesspiegel berichtet: "Partei für Energetiker, Aidsleugner und Holocaustverharmloser. Sie wollen in den Bundestag. Und rechnen sich gute Chancen aus. Wie die Mitglieder der jungen Partei „Die Basis“ Deutschland verändern möchten." [03.05.2021] Eine der Initiatoren der Aktion #allesdichtmachen, der Schauspieler und "Babylon Berlin" Star Volker Bruch hatte offenbar im März einen Mitgliedsantrag für die Querdenker-Partei "Die Basis" gestellt, wie Netzpolitik.org berichtet. [02.05.2021] Das antidemokratische Netzwerk hinter #allesdichtmachen: Maskenverweigerer am Set, Verwerfungen innerhalb der Filmbranche und ein ominöser Drahtzieher aus dem Querdenker-Milieu. Der Tagesspiegel hat hier erneut weitere Verbindungen und Hintergründe sehr gut recherchiert. [29.04.2021] Auf der Seite AnonLeaks findet sich ein sehr lesenswerter Artikel über die Verbindung Brüggemann, Querdenker, Brandenburg und der Initiative "1 bis 19".

[29.04.2021] Die Kolleg:innen vom Tagesspiegel sind den Verbindungen der Initiatoren und der Frage nachgegangen, wie die "Kunstaktion" #allesdichtmachen ins Leben gerufen wurde und kommen zu dem Schluss: "Die Aktion #allesdichtmachen war so minutiös geplant wie eine „Tatort“-Produktion." [29.04.2021] Auch dieser Tweet des Journalisten von Netzpolitik.org, Daniel Laufer, ist bemerkenswert, oder eher: Das Schreiben, das darin verlinkt ist. Es ist offenbar das Konzept, dass an die angefragten Schauspieler:innen verschickt worden ist. Darin schreibt Brüggemann: "Und außerdem schreit die Propaganda, die wir andauernd sehen, nach Satire." Propaganda - Auch das ist erneut Querdenker-Rhetorik.


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