Jeannette Hagen
Klimaschutz – auch eine Frage der Haltung
Gerade hat die Klimaschutzbewegung Fridays for Future eine Studie vorgestellt, wie Deutschland es schaffen könnte, weit früher als geplant, seinen CO2 Ausstoß auf null herunterzufahren. Das wäre nötig, um das Ziel, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu bringen, zu erreichen. Deutschland hat sich dazu verpflichtet, plant allerdings bisher die CO2 Neutralität erst für das Jahr 2050 ein.

Ein Blick in die Studie zeigt, dass es einen enormen Kraftaufwand bräuchte, um bereits in 15 Jahren dort zu sein, wo man eigentlich erst in dreißig Jahren sein wollte. Die Studie zeigt aber auch, dass es machbar ist und dass vor allem der politische Wille darüber entscheiden wird, ob wir das schaffen. Dass es eigentlich keinen anderen Weg geben sollte, können wir jedes Jahr aufs Neue an den Häufungen der Naturkatastrophen rund um den Globus und an den aktuellen Wetterdaten ablesen. Nun ist Wetter nicht gleich Klima, aber die Rekordsommer, die Rekordtemperaturen im September, die Rekordhitze in der Antarktis, überhaupt die Aneinanderreihung von Rekorden bringen doch ganz deutlich zum Ausdruck, dass etwas nicht stimmt.
Und trotz aller Tatsachen hat es die Klimabewegung immer noch schwer, mit ihrer Stimme vorzudringen – rein in die Köpfe der Politiker*innen, aber auch in die vieler Bürger*innen. Denn natürlich reicht es nicht, dass die Politik und die Industrie Parameter verändern. Jeder von uns ist gefordert, jeder muss seinen Beitrag leisten. Ob der Verzicht heißt, ist eine Frage der Perspektive und der Haltung. Was aber braucht es, diese einzunehmen? Drohszenarien? Bringen nichts. Wer erinnert sich nicht an die Horrorbilder von verkleisterten, schwarzen Lungen, die lange in Berliner U-Bahnen hingen. Haben die irgendjemanden vom Rauchen abgehalten? Rauchen die Menschen weniger, weil diese Bilder jetzt auf den Packungen selbst sind? Nein, sie blenden sie aus. Ebenso, wie die meisten von uns ausblenden, dass am Ende nicht diese Erde stirbt, wie oft gesagt oder geschrieben wird. Nein, nicht die Erde stirbt, sondern wir.
Wer mit offenen Augen durch die Stadt oder überhaupt durchs Leben geht, kann die Vorboten sehen. Balkonblumen, die plötzlich den gesamten Winter über Blüten tragen, Erdbeeren, die im Oktober noch blühen und Früchte ausbilden oder blühende Kastanienbäume im Herbst. Sie bäumen sich auf gegen den nahenden Tod, wollen noch ihren Fortbestand sichern. Im nächsten Jahr werden sie kaum mehr blühen. Sie werden an vielen Ästen nicht einmal mehr Blätter bekommen, weil die neuen Triebe nicht verholzen und bei Frost absterben. Kastanien werden die ersten Bäume sein, die aus dem Stadtbild deutscher Städte irgendwann verschwunden sind. Mit ihnen gehen viele Erinnerungen aus der Kindheit oder die von lauen Sommerabenden in Biergärten unter dem Schattenspiel einer wunderschönen Kastanie.
Vielleicht ist es das, was uns antreiben sollte, ernsthaft Teil der Klimabewegung zu werden – der Schmerz darüber, dass es jetzt noch überwiegend die Natur ist, die leidet – dass sich das aber bald schon verschieben wird. Was wir um uns herum sehen, sind keine auf Papier gedruckten Mahnungen, sondern Hilfeschreie lebendiger Materie. Man muss kein Esoteriker sein, keine Bäume umarmen, um zu verstehen, dass wir uns zwar in den letzten Jahrzehnten von der Natur als getrennt betrachtet haben, dass die Realität aber eine andere ist. Wir sind nicht die Krone der Schöpfung, wir sind ein Teil von ihr und wir sind dabei, uns zu zerstören. Der Erde wird das nicht viel ausmachen. Sie schüttelt sich, wenn wir weg sind und existiert einfach weiter. Aber unsere Kinder, Enkel und Urenkel können das, was wir ihnen hinterlassen, nicht einfach abschütteln. Sie müssen damit leben. Würden wir auf die Idee kommen, einem Säugling so viel Zigarettenrauch in die Lunge zu pusten, dass sie so aussieht, wie die auf den Bildern? Würden wir nicht. Warum übertragen wir diese Haltung nicht einfach auf unser Verhalten bezüglich der Erderwärmung? Es wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung. #klimaschutz #fff #fridaysforfuture