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  • AutorenbildLutz Jäkel

Ramadan in Damaskus. Vor dem Krieg.

Reportage

2007 war ich während des Ramadans in Syrien, tief beeindruckt von der besonderen Atmosphäre während des abendlichen Fastenbrechens in der Umayyaden-Moschee von Damaskus. Selbst für einen areligiösen Menschen wie mich ein eindrückliches Erlebnis. Ich frage mich, wie Ramadan im Jahre 2020 in Syrien aussieht und abläuft, nach nunmehr neun Jahren des Krieges...

Mit den besten Wünschen an alle Musliminnen und Muslime zum Ramadan teile ich einen Ausschnitt aus einer Reportage, die ich damals über das Fastenbrechen geschrieben habe.



“Die Kinder werden ungeduldig und knabbern schon ein bisschen am Brot. Immer mehr Menschen strömen herein, Männer werden nach rechts geleitet, Familien nach links. Die Einweiser mit ihren blauen Westen bilden Reihen, damit es schneller geht. Kommt jemand alleine, wird er zu anderen gesetzt, immer zu Fünfer-Gruppen. „Ahlan wa-Sahlan – Herzlich willkommen!“ spricht Ali Abdallah Ayyub, der Moscheeaufseher im eleganten Anzug, in das Mikrofon, und seine Begrüßung legt sich mit leichtem Hall über den ganzen Hof der prächtigen Umayyaden-Moschee; nur schwach übertönt er das Gerufe der Einweiser, das Geplauder der Erwachsenen, das Geschrei der Kinder.


Noch fällt Sonnenlicht in den Hof, aber die Schatten werden länger. Und alle warten. Kamal Hawaara, der Koranrezitator, schaut auf die Uhr, noch ein paar Minuten, das Iftar, das allabendliche Fastenbrechen, wurde heute für 18.21 Uhr errechnet, das syrische Fernsehen berichtet live. Nicht nur während des Fastenmonats Ramadan steht die Umayyaden-Moschee in Damaskus im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sie war schon immer Anziehungspunkt tiefer Religiosität. Nach Mekka, Medina und Jerusalem zählt sie zur viertheiligsten Stätte der Muslime.



In Damaskus soll der Legende nach nicht nur Kain den Abel erschlagen haben, sich das Grab Mose befinden und der Geburtsort Abrahams sein. Auf der „Geraden“, dem alten römischen Decumanus, fiel es Saulus „von seinen Augen wie Schuppen“, und Paulus, wie er sich fortan nannte, wurde zur wichtigsten Person für die Verbreitung des Christentums. In Damaskus entstand im 7. Jahrhundert die Hauptstadt des ersten islamischen Reiches, das der Umayyaden. Symbol dieser Epoche wurde jene Freitagsmoschee, die auf einem bedeutendem Areal gebaut wurde: Hier stand vor Jahrtausenden der aramäische Haddad-Tempel, dann ein griechischer Tempel für Zeus, der bei den Römern Jupiter geweiht war; aus ihm wurde später eine Basilika, in der Christen Johannes den Täufer verehrten. Die Muslime führten, wenn man so will, diese Tradition mit dem Bau der Moschee fort, ein grundsätzlich neuer Glaube war der Islam aber nicht.


Muhammad steht in einer Reihe der Propheten Abraham (arab. Ibrahim), Moses (Musa) und Jesus (Isa), aber er ist aus Sicht der Muslime der letzte Prophet und damit der Vollkommene. Und Jesus ist für sie nicht Gottes Sohn. Was sie aber alle vereint: Der Glaube an den einen Gott, den die Araber – Christen wie Muslime – Allah nennen.

Die wenigsten der hier Versammelten werden von dieser religiösen Geschichte etwas ahnen. Aber sie wissen, dass die Almosensteuer, die Zakaat, die zu den fünf Säulen des Islams gehört, für sie eine Armenspeisung während des Ramadans ermöglicht. Deswegen sind sie hier und sitzen in Gruppen auf dem Boden, aber auch, um gemeinsam mit anderen das Fasten zu brechen und sich die Tüte zu teilen, in der Reis mit Nüssen, Erbsen und Rosinen, Joghurt und Brot auf die Hungrigen warten, dazu gibt es einen Orangensaft im Tetrapak, außerdem noch einen Apfel. Es herrscht eine entspannte, ruhige Stimmung. Als Kamal Hawaara zum Tartil, dem Gebetsgesang, ansetzt, ist die Sonne untergegangen. Die Menschen reichen sich das Brot, man beginnt langsam zu essen. Manche machen es wie einst ihr Prophet und gönnen sich zuerst eine Dattel und danken Gott im stillen Gebet.

Nach einer halben Stunde ist alles vorbei, die ersten gehen, und kaum einer findet beim Rausgehen den Weg in den Gebetsraum der Moschee. Die Putzkolonne kommt, innerhalb weniger Minuten sind die Tüten und die Reste eingesammelt, der Marmorboden, in dem sich der zunehmende Mond spiegelt, glänzt, als sei nichts gewesen. Bis morgen Abend, wenn die Menschen wieder um die vielen Tüten herum sitzen und die Kinder ungeduldig am Brot knabbern werden.

© Text und Fotos Lutz Jäkel #ramadan #fasten #fastenbrechen #fastenmonat #islam #muslime #moschee #damaskus #umayyadenmoschee #damaskus #syrien

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