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  • AutorenbildNadine Pungs

Unsolidarische Kirchen

Ein Kommentar von Nadine Pungs


Die Bitte von Bund und Ländern an die Kirchen, Ostern vom Präsenzgottesdienst abzusehen und stattdessen virtuell zu feiern, stößt bei Kirchenvertretern beider christlicher Großkirchen auf Unverständnis. Erwartungsgemäß.


Die dritte Welle ist da, die Infektionszahlen steigen und dann steht auch noch Ostern vor der Tür, das wichtigste Christenfest unter Gottes leerem Himmel. Die Regierung appelliert deswegen an die Religionsgemeinschaften, nur Online-Angebote an die Gläubigen zu richten. Doch die beiden Kirchen zeigen sich „enttäuscht“ von der Bitte. Wohlgemerkt, es ist nur eine Bitte, keine Verordnung. Das Grundgesetz gewährt in Artikel 4 die „ungestörte Religionsausübung“. Eine Schließung von Gotteshäusern ist rechtlich also schwierig, Gotteshäuser sind ja keine Theater. Und die Kirche schwebt selbstredend über jeden irdischen Lockdown wie der Engel auf seiner Wolke. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Bätzing ließ verkünden: „Ostern ist das wichtigste Fest für uns, Gottesdienste sind kein Beiwerk. Zu Weihnachten haben wir gezeigt, wie wir mit Vorsicht Messe feiern können. Darauf wollen wir Ostern nicht verzichten.“

Klar ist, Weihnachten und Ostern sind die Blockbuster der christlichen Kirchen. Die einzigen Blockbuster indes, denn den Rest des Jahres sind die Gemeindesäle leer. Und irgendetwas muss man den Beitragszahlern ja offerieren, wenn sonst schon nichts läuft. Das sehen auch politische Vertreter so. Nach Monaten taucht Innenminister Seehofer aus der Versenkung wieder auf (man war sich nicht sicher, ob er überhaupt noch lebt), um gemeinsam mit den hohen Herren Unverständnis zu brummen. Dass ausgerechnet Parteien, die das „C“ im Namen trügen, den Kirchen den Verzicht auf Gottesdienste nahelegen würden, hätte ihn erstaunt, sagte er der „Bild“-Zeitung. Kritische Zeitgenossen könnten sich jetzt fragen, ob ausgerechnet Parteien, die ein „C“ im Namen tragen, der „Bild“-Zeitung Interviews geben sollten aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls betonte auch Ministerpräsident und Kreuzeaufhänger Söder, man wolle ja keinen Druck auf Kirchen aufbauen. Warum eigentlich nicht? Weil die Privilegien der Kirchen in der Kirchenrepublik Deutschland nicht angerührt werden dürfen, auch dann nicht, wenn sie eindeutig (gesundheitlichen) Schaden anrichten. Die Kirche kann generell schalten und walten, wie sie will. Sie braucht ihre Finanzbücher nicht offenzulegen und auch nicht, wer aus den eigenen Reihen auf Kinder steht.

Die kirchliche Selbstgefälligkeit hat sich allerdings mittlerweile herumgesprochen, und so treten – nicht erst nach der Causa Woelki – immer mehr Menschen aus dem Verein aus. Und mal ehrlich: was hat die Kirche heute schon anzubieten außer ihre zweitausend Jahre alten Storys über Gottessöhne, die am Kreuz geschlachtet wurden? Was erlebt man schon im Gottesdienst, außer Männer in komischen Gewändern, die am Altar ein paar Gebete murmeln, an die immer weniger Leute glauben?

Eigentlich hätte die Pandemie die große Stunde der Kirche sein müssen. „Die erste Frage soll nicht sein: Was kann ich von meinem Nächsten erwarten? Sondern: Was kann der Nächste von mir erwarten?“, sagte schon der evangelische Theologe Friedrich von Bodelschwingh. Das Caritasgebot als Dienst christlicher Nächstenliebe ist ja angeblich das Alleinstellungsmerkmal der Christenheit. Die Kirche hätte also im Wirrwarr von Verordnungen, Inzidenzen und Mutanten ihren Anhängern Zuversicht spenden können. Sie hätte die Sorgen auffangen müssen. Sie hätte all die Soloselbstständigen, die ihre Existenz verloren haben, unterstützen können. Sie hätte einen Fond einrichten können, um den vielen verzweifelten Menschen zu helfen. Sie hätte der Gesellschaft etwas zurückgeben können, anstatt jährlich Milliarden zu kassieren, ganz gleich, ob man Mitglied im Verein ist oder schon längst ausgetreten. Sie hätte Solidarität mit den von Schließungen betroffenen Kultureinrichtungen, Gastronomiebetrieben und Einzelhandelsunternehmen zeigen und ihre Pforten ebenfalls schließen können. Stattdessen ignoriert sie den Lockdown. Der ein oder andere Kirchgänger entpuppt sich gar als Superspreader und steckt weitere Gottesdienstbesucher an. (Warum hat Gott da eigentlich nicht interveniert?) Und so zieht manche Kirchengemeinde lieber ins (geschlossene) Kino um, da durch die Belüftungsanlage die Hygienevorschriften besser eingehalten werden können. Kinos dürfen hingegen keine Filme abspielen lassen. Kirchen dürfen auch ohne Lüftung Gottesdienste feiern.

Gott wird es wahrscheinlich eh egal sein, vielleicht macht er ja über Ostern Urlaub auf Mallorca. #kirche #lockdown #pandemie #corona #coronakrise




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