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  • AutorenbildLutz Jäkel

Prediger simpler Botschaften

Foto-Essay Ein paar Eindrücke und Fotos zur AfD-Demo am 08.10.2022 in Berlin. Unter dem Motto "Unser Land zuerst" versammelten sich, so schätzt die Polizei, rund 10.000 Teilnehmer, etwa 1400 Demonstranten stellten sich bei mehreren Kundgebungen den AfDlern auf der anderen Seite entgegen (deutlich weniger allerdings, als erwartet). Rund 1900 Einsatzkräfte der Polizei waren im Einsatz.

Ein älterer Herr in einer Deutschlandflagge gehüllt, steht neben mir und raunzt: "Du verfälscht doch eh wieder deine Fotos." Ich bin gerade auf der Demo angekommen, habe mein Fahrrad abgestellt, meine Kameras geschultert und ein erstes Foto gemacht. Auf dem Platz der Republik treffe ich Kollegen und Kolleginnen, wir kennen uns von diversen Demos, man grüßt sich, tauscht sich aus. Und passt auch aufeinander aus. Wir bemerken gleich neben uns eine Gruppe von Männern, die uns beobachten und mit Handys fotografieren. Mit ihren Mienen und Stirnnacken sehen sie nicht aus, also wollten sie uns auf einen Kaffee einladen. Dass direkt neben uns die Polizei steht, auch die Pressesprecher, stört sie nicht.

In den nächsten anderthalb Stunden halten u.a. der rechtsextreme AfD-Politiker Stephan Brandner und der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla Reden. Sie strotzen vor nationalistischen Parolen, populistischen Plattitüden gegen "die da oben", die nichts sind, nichts können, es sei Zeit, Deutschland wieder auf die Beine zu stellen. Ich weiß nicht, wie oft ich gestern gehört habe: "Unser Land zuerst!", "Das deutsche Volk!", "Scholz muss weg!", "Habeck muss weg!" etc. pp.


Als der Demonstrationszug sich durch Berlin Mitte in Bewegung setzt, werden all diese Parolen weiter skandiert und wiederholt. Zwischendurch hört man immer wieder: "WI-DER-STAND! WI-DER-STAND!", "WIR sind das Volk! WIR sind das Volk!" Von der anderen Seite hört man die Gegendemonstranten: "Ganz! BER-LIN! Hasst die AfD!", "Naaa-zis raus! Naaa-zis raus!" Die AfDler machen sich einen Spaß daraus und brüllen zurück: "Naaa-zis raus! Naa-zis raus!". Ja, sie finden das lustig.


Unzählige Deutschlandflaggen flattern im kühlen Herbstwind, dazwischen auch ein paar Reichsflaggen und sogenannte Wirmer-Flaggen. Es kursieren Bilder im Netz, auf denen man Demo-Teilnehmer mit H*-gruß sieht.


In einigen Medienberichten lese ich, die Demo habe sich gegen die Energiepolitik der Regierung gerichtet. Das ist zwar nicht verkehrt, verharmlost aber diese und andere Demonstrationen. Denn die Parolen sind eindeutig: sie richten sich gegen demokratische Institutionen, gegen die gesellschaftliche Vielfalt, gegen Meinungs- und Pressevielfalt.

Was erneut in Berlin zu beobachten war, ist das, was ich in einem interessanten Artikel der Süddeutschen Zeitung gelesen habe, in der er es um eine Analyse zweier Psychologen geht, die der Frage nachgehen, ob Populismus Hass schürt - oder umgekehrt. Die Psychologen kommen zu diese Einschätzung:

"Es sei wahrscheinlicher, dass populistische Strömungen Hass in ihren Anhängern erst richtig aufwallen lassen. Wut, Enttäuschung, Ärger und andere Zustände treiben Menschen in die Arme der Prediger simpler Botschaften, wo sie dann richtig aufgepeitscht werden. Populismus, so die Psychologen, zeichne sich dadurch aus, dass er einen Gegensatz zwischen bösen Eliten und guten Menschen betone und über negative Emotionen mobilisiere."

Prediger simpler Botschaften. Genau das war par excellence auf der AfD-Kundgebung zu beobachten, vor allem als der Schlussredner Martin Reichardt auf die Bühne tritt. Reichard ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender des Landesverbandes AfD Sachsen-Anhalt. Er wird zum Kreis der rechtsextremen Gruppe "Der Flügel" um Björn Höcke gezählt.

Reichardt hält eine Rede, die aufheizt, aufpeitscht, antisemitisch durchsetzt ist. Er hetzt gegen die "Globalistin Baerbock", spricht von einer "vaterlandslosen Clique, die sich Grüne nennt", er verspricht: "Den Kampf gegen diese Deutschlandhasser werden wir führen, ohne Wenn und Aber!", es gelte nur eines im Blick zu haben, nämlich "das Wohl des deutschen Volkes!", er fordert ein "souveränes Deutschland". Grüne Politik habe mit ihrer "ungehinderten Masseneinwanderung" dazu geführt, dass aus der "Heimat Deutschland" die "weltweit größte Sammelstelle für Wirtschaftsflüchtlinge" wurde.

Rechtsextremist Martin Reichardt
Rechtsextremist Martin Reichardt

Reichardt spricht nicht, er brüllt, er schreit. Und die Menschen vor der Bühne jubeln, rufen "Bravo!", schwenken ihre Deutschlandfahnen. Mehr muss man zur gestrigen Kundgebung nicht wissen. #b0810 #NoAfD #keinenmillimeternachrechts #rechtspopulismus #rechtsextremismus #rechtsradikalismus #rechtsextrem #extremismus

Wutwinter von Guido Kühn
Karikatur © Guido Kühn

Nachtrag:

Kevork Almassian
Kevork Almassian

Auch er war dabei: Kevork Almassian. Der syrische Christ ist 2015 über die Schweiz (einem Drittland also) nach Deutschland geflohen und Mitarbeiter des AfD-Politiker und MdB Markus Frohnmaier. Frohnmaier beschäftigt in seinem Abgeordnetenbüro mehrere Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum.

Almassian ist bekennender Assad-Anhänger, verteidigt wo er kann das syrische Regime, diskreditiert sämtliche syrischen Geflüchtete, die vor Assad und dem Krieg geflohen sind, als Terroristen und Islamisten und als eine Gefahr für Deutschland. Er ist damit der Kronzeuge und das Feigenblatt der AfD für ihre rassistische und flüchtlingsfeindliche Politik. Denn ein Syrer wie Almassian - der muss es ja wissen, wenn er vor vermeintlichen Islamisten und Terroristen warnt.





 

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