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  • AutorenbildLutz Jäkel

#b1811: Fake News & Gerüchte

Über die Corona-Demo #b1811 wollen wir noch mit ein paar Falschinformationen und Gerüchten aufräumen, die in einschlägigen Social Media Kanälen kursieren. Aber leider nicht nur dort, auch in Kommentaren besonnener und vernünftiger Usern kann man lesen, dass solche Fake-News oder Gerüchte auch bei ihnen Zweifel schüren können, sie fragen, ob da was dran sein könne. Zeit also, ein bisschen Klarheit zu verschaffen.


Ein paar Beispiele:

► Nach der Auflösung der Kundgebung wegen Verletzung der Auflagen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes, wurden die Wasserwerfer nur mit einer Beregnung eingesetzt, nicht mit hartem Strahl, wie man das häufig von anderen Demos kennt. Die Berliner Polizei begründete dass damit, dass in den vordersten Reihen Kinder gewesen sein sollen, diese wollte man schützen. Verständlich. Und es ist richtig, dass ein Tag vor der Demo in einigen Telegram-Channels dazu aufgerufen wurde, Kinder mitzubringen, damit die Einsatzkräfte vorsichtiger seien. Auf eine solche Idee muss man Eltern ja erst mal kommen: Für Frieden und Freiheit auf die Straße gehen, aber Kinder sozusagen als Schutzschild zu missbrauchen.

Allerdings: Mir war schon vor Ort aufgefallen, keine Kinder gesehen zu haben. Ich hatte mich mit Kollegen ausgetauscht, per Mail, per Telefon. Niemand von uns hat Kinder gesehen, auf meinen Fotos sind auch keine zu erkennen. Ich habe deswegen mit der Pressestelle der Berliner Polizei telefoniert. Sie bestätigte mir, dass sie wegen Kinder vorsichtig gewesen seien, aber auch sie fast keine Kinder gesehen haben. Der Pressesprecher, mit dem ich telefonierte, sagte: "Ich persönlich habe ein Kind gesehen, aber auf Höhe des Brandenburger Tors, nicht vorne in der Nähe des Sperrbereichs." Also: Kinder gab es zwar nicht, die Polizei wollte trotzdem weiter deeskalierend vorgehen, daher die Vorsicht. Die Polizei betonte allerdings, dass sie schon lange nicht mehr auf einer Demo ein solches Ausmaß an Gewalt erlebt habe.

► In Querdenker-Kanälen wird Faschismus skandiert, weil z.B. der auf solchen Demos inzwischen bekannte Klavierspieler Arne Schmitt festgenommen worden sein soll. Schmitt spielt, nach eigenen Angaben, für Frieden und Freiheit. Behauptet wird nun, es sei Schmitt gelungen, mit seinem Klavier die Polizei-Barriere durchgestoßen zu haben, daraufhin wurde er festgenommen, und als er bewusstlos war, sei ihm nicht geholfen worden.

Ich war zufällig vor Ort. Ob Schmitt mit seinem Klavier die Barriere durchbrechen konnte, habe ich nicht beobachte können, vom Vorfall gibt aber Videos, die in den sozialen Medien kursieren, die Sachlage ist aber nur schwer erkennbar. Zu sehen ist lediglich, dass das Klavier sich bewegt, die Polizei drängt mit Hilfe der Wasserwerfer die Demonstranten nach und nach weiter zurück, irgendwann steht das Klavier hinter der Polizeisperre.

Was ich aber beobachten und fotografieren konnte: Arne Schmitt lag am Boden, es schien, als würde er festgenommen werden, dann war er bewusstlos und wurde weggetragen, die Meute tobte vor Empörung. So ging das minutenlang. Irgendwann kümmerte sich auch ein Sanitäter um ihn. Allerdings: Schmitt scheint ein guter Schauspieler zu sein. Denn in einem T-Online-Interview sagt er zu dieser Szene: "Ich war nicht bewusstlos, ich hatte mich einfach ganz passiv verhalten. Es ging mir gut." Interessant. Sich fallen und wegtragen lassen, Bewusstlosigkeit simulieren ist also nur, sich "ganz passiv zu verhalten". Egal, die Inszenierung hat ihr Ziel erreicht, denn in den entsprechenden Kanälen ist das ein Beweis für den aufkommenden Faschismus, weil ein harmloser Pianospieler "einfach so" festgenommen wurde.


Auf Schmitts Piano übrigens hielt der AfD Bundestagsabgeordneter Hansjörg Müller seine Rede "an das Volk" über das "Ermächtigungsgesetz" und das "Merkel Unrechtsregime". Schmitt sagt bei T-Online, nicht gewusst zu haben, wer da auf sein Piano steige, um eine Rede zu halten. Aber Schmitt hat Müller zugehört, ich beobachte, wie er ab und an klatschte.



Am Abend wurde Arne Schmitt tatsächlich festgenommen. Auch da war ich zufällig vor Ort (vermutlich denken jetzt meine Kritiker: "Zufällig? Der wird doch dafür bezahlt, bekommt vorher einen Tipp!"): Als die Kundgebung schon fast aufgelöst war, spielte Schmitt in der Nähe des Brandenburger Tors für einige Demonstranten, die da ohne Abstand und Maske standen. Die Polizei kam, forderte Schmitt auf, nicht mehr zu spielen, weil erneut die Auflagen nach dem Infektionsschutzgesetz ignoriert worden sind, es ging eine Weile hin und her, dann wurde es der Polizei zu blöd und sie nahmen Schmitt fest, um die "Kundgebung" zu beenden. Die Meute tobte und war empört. Ich stand daneben und beobachtete (dieses Mal ohne Fotos zu machen).

Eine "Journalistin" mit Fake-Presseausweise filmte die Festnahme, war verzweifelt, weinte, jammerte: "Was macht ihr da nur? Was ist hier nur los? Oh Gott!" Ich stand da und dachte: "Jo, da wird ein Mann wegen Verstöße auf einer Demo festgenommen. Faschismus? Eher nicht." Ich kam mit der Frau ins, nun ja, Gespräch, das darin endete, dass sie mich beschimpfte, ankeifte. Die Frage nach ihrem Fake-Presseausweis mochte sie nicht so. Es gibt ein Video auf Facebook, in dem man unseren Disput hört, aber nicht sieht, weil die Kamera auf die Polizei gerichtet ist.

Inzwischen weiß ich, wer die Dame ist: Anja Heussmann, sie betreibt mit hoher Reichweite die Seite LOVEStorm. Netter Name, aber kurze weitere Recherche ergab: Antisemitin, Corona-Leugnerin (in einem Video auf ihrer Seite schreit sie: "ES GIBT DAS VIRUS DOCH GAR NICHT!"), sehr aktive Querdenkerin, Merkel-Hasserin, überhaupt ziemlich durchgeknallt.

► Schon zu Beginn waren mir zwei Männer vor dem Brandenburger Tor aufgefallen, die offenbar Sanitäter waren. Irgendwie dachte ich da schon, dass hier was nicht stimmt. Die Uniformen wirkten komisch. Ich hatte das aber nicht weiter verfolgt. Der Volksverpetzer und CORRECTIV haben aber inzwischen herausgefunden: Die Uniformen waren Fake, das Deutsche Rote Kreuz (das aus Neutralitätsgründen auf politischen Demos nicht eingesetzt wird) weiß nichts von diesen selbsternannten Samaritern. Ob es überhaupt Sanitäter sind, konnte auch Correctiv nicht herausfinden.


Was die Sache nun brisant macht: In einem kurzen Video, das auf YouTube und Telegram kursiert, behauptet einer der "Sanitäter": Es gebe 40 Verletzte, sieben Schwerverletzte und eine Person mit einem Herzinfarkt bei der Demonstration. "Wir haben auch Polizisten geholfen. Und die haben uns dann gedroht, uns zu verhaften, wenn wir weiterhin den Menschen hier helfen." Die Meute tobt erneut. Jetzt verhindert die Polizei also schon Rettungseinsätze! Faschismus!

Nur: Die Berliner Polizei weiß nichts von diesen Verletzten und schon gar nichts von Schwerverletzten. Die Berliner Feuerwehr ist für solche Rettungseinsätze zuständig: Auch sie weiß von nichts. Zwar könne es sein, dass es Leichtverletzte gab, die nicht erfasst wurden, aber von Schwerverletzten ist nichts bekannt.

Es geht diesen "Sanitätern" also offenbar um die eigene Profilierung ("Wir Helden!") und die Diskreditierung der echten Einsatzkräfte. Alter Schwede.

► Auf einigen Fotos von mir kann man einen jungen Mann erkennen, der sich zusammen mit anderen Demonstranten heftig gegen die Räumung wehrt (Foto links). Er hält die Arme nach oben, andere Demonstranten machen das manchmal auch (nein, kein Hitlergruß, wie einige vermuteten, sondern um anzuzeigen, dass man gewaltfrei sei. Ähem). Man sieht aber auch, dass der junge Mann einen Selfiestick mit einer GoPro in der Hand hält. Er filmt sich selbst bei seinem WI-DER-STAND! Als ich die Fotos machte, stand neben mir ein weiterer Mann mit "Presseausweis" (Foto rechts), der diesen Mann filmte und dabei anfeuerte. Er nannte seinen Namen, sie kannten sich offenbar. Bedeutet: Sie inszenierten die Räumung besonders dramatisch, um entsprechende Bilder für ihre Kanäle und, ja, ihre Propaganda zu haben: Sie, als Helden, im harten Einsatz für Frieden, Freiheit. Für das Volk!

Diese Inszenierung allerdings überrascht weniger, wenn man weiß, wer der Mann mit dem Selfiestick ist: Sebastian Verboket, ein rechter YouTuber, vor allem sehr aktiv auf Telegram mit rund 48.000 Followern. Er betreibt dort die Seite bzw. Gruppe "Fakten Frieden Freiheit". Das Portal netzpolitik.org nennt ihn einen "perfekten Verschwörungstheoretiker". So verbreitete er nach dem Attentat in Hanau, bei dem neun Menschen ermordet wurden, ein Video, in dem er behauptet, das ganze sei eine "False Flag", mit Rassismus könne das nichts zu tun haben, da müsse etwas größeres dahinter stecken: "Glaubt nicht alles, was ihr im Fernsehen seht, recherchiert selber!"

Das Web, die entsprechenden Kanäle sind nun voll mit solchen Videos und Falschmeldungen. Die Berliner Polizei musste sogar einen Fake-Tweet veröffentlichen, wonach die Polizei angeblich einen Schießbefehl hatte (Foto 8).


Die wenigen Beispiele zeigen eindrücklich, wie mit Inszenierungen und gezielt gestreuten Falschinformationen Stimmung erzeugt wird. Die Aktivisten versuchen so, den Rechtsstaat zu diskreditieren und auszuhöhlen, den sie vorgeben, mit ihren "Demonstrationen" zu verteidigen. Sie tun aber genau das Gegenteil. Das Problem: Diese Inszenierungen verfangen bei vielen Menschen. Und eben nicht nur bei den jeweiligen Minderheiten. Die sind davon natürlich begeistert, feiern die Aktivisten, ihre Helden, feiern sich gegenseitig im Kampf für "Frieden, Freiheit, keine Diktatur!", im Kampf gegen die vielen Schlafschafe.

Andere feiern sie vielleicht nicht, aber sie bekommen trotzdem Zweifel. Wurde der Pianospieler einfach so festgenommen? Waren da wirklich Kinder? Werden wirklich Sanitäter an ihrer Arbeit gehindert? Kann das wirklich sein? Ich glaube ja eigentlich nicht. Aber... wer weiß.

Daher die Bitte: Genau hinsehen, genau hinhören. Empathisch bleiben. Seriöse Quellen abfragen. Dann stärken wir die Demokratie und können uns den Demokratiefeinden in den Weg stellen.



Quellen:

Über die Fake-Sanitäter bei den Volksverpetzern und bei Correctiv

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