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  • AutorenbildLutz Jäkel

Applaus für Z***sauce

Sitzen fünf Weiße Menschen in entspannter Runde zusammen und diskutieren über Alltagsrassismus. Keine Pointe, sondern so geschehen in der WDR Talkrunde "Die letzte Instanz" Ende Januar 2021. Moderator Steffen Hallaschka hatte geladen: Entertainer Thomas Gottschalk, Schauspielerin Janine Kunze, Autor und Moderator Micky Beisenherz und Schlagersänger Jürgen Milski. Man hätte es wissen können, dass das nicht gut geht.

Aber man weiß gar nicht, was am schlimmsten ist.

Dass im Jahr 2021, also nach Jahren der Diskussionen von #blacklivesmatter und #metwo, in einer WDR-Redaktion das Thema Rassismus geplant ist und niemand auf die Idee zu kommen scheint, auch von Rassismus Betroffene einzuladen. Sondern fünf weiße Menschen ohne Migrationshintergrund in die Runde zu setzen.

Dass offenbar niemand von den fünf weißen Menschen bei diesem Thema es befremdlich findet, dass da eben nur fünf weiße Menschen sitzen.

Dass der WDR beim Thema Rassismus tatsächlich fragt: "Das Ende der Zigeunersauce. Ein notwendiger Schritt?"

Dass bei der abschließenden Frage, ob die Umbenennung der "Z***sauce" richtig gewesen sei, die vier weißen Menschen (ohne Moderator) eine rote Karte hochhalten - die Umbenennung war aus ihrer Sicht also nicht notwendig. Schön, dass Nichtbetroffene das so sehen.

Dass Schauspielerin Janine Kunze u.a. sagt, die "Entstehungsgeschichte vieler Worte" sei doch keine "negative" und Schlagersänger Jürgen Milski bei dem Wort "negativ" sich getriggert fühlt, theatralisch empört die Arme hebt und sagt: "Neeeegativ, oh Gott! Neeegativ!" - weil das klingt wie das N-Wort. Darauf muss man erst mal kommen.

Dass jener Milski auf den Einwand des Moderators Hallaschka, es fühlten sich nun mal Menschen von bestimmten Begriffen beleidigt, mit dem Zeigefinger rudernd sagt: "Das stimmt überhaupt nicht!" Er muss es ja wissen. Aber er findet auch die von Barbara Schöneberger ins Spiel gebrachte "Sauce ohne festen Wohnsitz" lustig, wie er in der Sendung sagt.

Dass Janine Kunze in Richtung Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, der den Begriff "Z***" als diskriminierend bezeichnet, allen ernstes sagt: "Ich finde da sitzen drei Leute, die nichts Besseres zu tun haben und fangen dann mit so einem Quatsch an. Ich find’s nervig. Wenn du dir natürlich jeden Schuh anziehst und dich immer beleidigt fühlst."

Das Publikum klatscht.

Und dann kommt auch noch Thomas Gottschalk um die Ecke und erzählt, er habe mal auf einer Kostümparty in Los Angeles "aus grundtiefer Verehrung für Jimi Hendrix" eine schwarze Perücke getragen und sich das Gesicht schwarz angemalt. "Das war eine tiefe Verneigung vor Jimi Hendrix und nix anderes", sagt Gottschalk.

Man ist schon entsetzt genug. Aber Gottschalk legt noch einen drauf: "Ich war damit auf einer Party mit nur weißen Bankern, ich habe mich zum ersten Mal wie ein Schwarzer gefühlt."

Kinnladerunterfall. Was soll man da noch sagen? Blackfacing? Selbst ein Kosmopolit wie Gottschalk hat noch nicht verstanden, dass viele Schwarze #Blackfacing als tiefe Beleidigung empfinden? Und Gottschalk weiß also durch das Blackfacing unter weißen Bankern endlich, wie es sich anfühlen muss, als Schwarzer diskriminiert zu werden? Gottschalk nennt das "Erweckungserlebnis". Und "als Trottel", so sagt er, habe er das Foto getwittert und einen Shitstorm bekommen.

Lachen im Hintergrund.

Shitstorm. Das ist das Problem für Gottschalk, nicht sein rassistisches Verhalten.

Eine unsägliche Talkrunde. Aber: Man sollte annehmen, die Empörung schlug den vier Gästen, dem Moderator und dem WDR entgegen. In Teilen tat es das auch. Kunze hatte sich auch entschuldigt (wobei man nicht sich selbst entschuldigen kann, sondern nur um Entschuldigung bitten). Allerdings war die Sendung Ende Januar 2021 eine Wiederholung der Erstausstrahlung vom November 2020. Auch danach gab es erste Kritik und Protest, aber offenbar fiel die zu leise aus, von Entschuldigungen seitens Kunzes oder des Senders ist nichts bekannt. Dazu sah man sich offenbar erst durch den Shitstorm veranlasst. Übrigens: Diese Folge von "Die letzte Instanz" wurde in der Woche wiederholt, in der den Opfern des Holocausts gedacht wurde.

Dass allerdings viele Social-Media-User die ganze Diskussion ohnehin für völlig überzogen halten, zeigen die Kommentarspalten unter diversen Newsseiten an, auf denen diese Talkrunde Thema ist. Ergebnis: Viel Zustimmung für Kunze und Gottschalk. Man solle sich doch nicht so haben, jetzt sei es aber mal genug mit dem Beleidigtsein, wenn wir jetzt also noch auf unsere Z***schnitzel und M***köpfe und den N***kuss verzichten sollen! Wo kommen wir denn da hin????

Kommentieren vor allem Männer mit sehr deutschen Namen. Und es wird hundertfach gelikt, teilweise mit Herzchen.

Der WDR hat bei seiner Stellungnahme zum Shitstorm, die als Entschuldigung verstanden werden soll, betont, der Verlauf der Sendung sei SO nicht beabsichtig gewesen.

Nein?

Wie ist dann der Trailer zu diesem Thema genau zu verstehen? Als Anregung zu einer respektvollen Auseinandersetzung? Ein Trailer, in dem über den verunglückten "Gag" von Barbara Schöneberger über die "Sauce ohne festen Wohnsitz" gelacht wird, in dem ein Bild von Proll-Comedian Mario Barth mit einem T-Shirt "unlustig" zu sehen ist, in dem eine ältere Frau mit Kopftuch und Bier trinkend in Zusammenhang mit Z*** gezeigt wird und damit jedes Klischee bedient, ein Trailer, in dem von einer "krrrräääftig brrrrraunen Sauce" die Rede ist?

Der Trailer war bisher kaum Thema bei der Causa. Den sollte man aber mal gesehen zu haben, um zu verstehen, was einige in der WDR-Redaktion offenbar auch für ein Problem haben.


Da es beim Thema Rassismus vor allem um Zuhören geht, sollte man, wenn es um Sinti und Roma geht, Gianni Johannes Jovanovic zuhören. Der Comedian, Roma, Aktivist und Überlebender eines rassistischen Anschlags erklärt, was Z*** bedeutet und was das für seine eigene Familie in der Nazizeit und darüber hinaus für Folgen hatte. Das macht er ganz unaufgeregt, einfach erzählend, erklärend. Es wirkt umso eindrücklicher.

Auch der deutsch-iranische Journalist und Literat Michel Abdollahi hat in einem viel beachteten Video die Causa zusammengefasst. Auf seiner Facebook-Seite schreibt er u.a.: "Liebe Leute, dieses Video ist mir sehr wichtig, weil ich nicht mehr möchte, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit unkommentiert bleiben. Ich möchte, dass es nachkommende Generationen besser haben. Ich bitte euch, es bis zum Ende anzuschauen und mir eure Meinung zu sagen.

Wie ich feststellen musste, wissen viele Menschen noch nicht, worum es im Skandal um die WDR-Sendung #dieletzteinstanz geht. Auf vielfachen Wunsch haben wir das mal für euch aufgearbeitet und die ganze Katastrophe zusammengefasst. "



Karikaturist Guido Kühn bringt es so auf die spitze Feder.

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